Europa

Die EWG und deren Perzeption in der deutschen Öffentlichkeit

von Björn Böhling

4.1. Die Bild

Umfangreiche Berichte oder Darstellungen des Vertragswerkes sucht man in den Ausgaben vergebens. Trotzdem darf das Wenige hier nicht unerwähnt bleiben, war die „Bild“ doch 1955 mit einer Auflage von 2.436.000 und 1960 mit 3.589.000 Exemplaren die meistverkaufteste Tageszeitung Deutschlands inklusive Westberlins.

Allerdings fanden sich für die Millionen „Bild“-Leser nur spärliche Informationen zur EWG-Gründung. Die hier behandelten Daten zur Ratifizierung und der 1.1.1958 als Starttermin wurden in der „Bild“ nicht berücksichtigt.

Auf Seite 1 der Ausgabe vom 26. März 1957 wurde unter der Überschrift „Europa-Markt unterzeichnet“ mit einer kurzen Meldung auf die Unterzeichnung eingegangen.[62] Man wies auf die Feierlichkeit hin und darauf, dass die Außenminister 70mal ihren Namen unter den 240 Seiten langen Vertrag zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft setzen mussten.

Obwohl die „Bild“ auch schon damals der Boulevardpresse zuzuordnen war, erscheint diese Information doch äußerst dürftig, und man bekommt den Eindruck, dass dieses Ereignis der „Bild“-Redaktion, nicht besonders wichtig erschien. Diese Vermutung wird auch durch einen Bericht über die Reise Adenauers in den Iran gestützt. In der Bildunterschrift, die sich genau über dem Artikel zur EWG-Gründung befand hieß es: „Bundeskanzler Adenauer startete in Bonn gestern zu einer siebentägigen Reise, die ihn über Rom – wo er mehrere Verträge unterzeichnet hat – nach Teheran zum iranischen Kaiserpaar führt. Bild fliegt mit!“ Hier wurden die Verträge von Rom einfach zu ‚mehreren Verträgen’ gemacht, wobei man nicht einmal die richtige Namensnennung für nötig hielt.

Nur einen Tag später, am 27. März 1957, erschien ein weiterer Artikel zur Unterzeichnung in Rom – nun allerdings als Aufmacher der letzten Seite.[63] Der Artikel informierte über den Besuch des Bundeskanzlers bei Papst Pius XII. und noch ausführlicher über die Garderobe der Adenauer-Familie. Die schillernde Darstellung des Journalisten setzte sich fort in der Beschreibung der Rahmenbedingungen der Vertragsunterzeichnung. Inhaltlich wurde lediglich auf eine besondere Unterstützung für Berlin sowie die Regelung des Warenverkehrs zwischen den beiden deutschen Staaten hingewiesen.

Von einer Information der Leser kann durch die „Bild“ m.E. nicht gesprochen werden. Es wurde gesagt, wo die Unterzeichnung geschah, wie die Unterzeichnung vor sich ging, aber es blieb unerwähnt, was die Römischen Verträge eigentlich bewirken sollten, bzw. ob sich aus ihnen eher Vorteile oder Nachteile ergeben würden. Eine eigene Meinung werden sich die Bürger der Bundesrepublik daraus wohl nicht haben bilden können – zumal ihnen ja nicht einmal eine durch die „Bild“ angeboten wurde.

Privatkredit ohne Schufa Preisvergleich Wohngebäudeversicherung Aktuelle Bauzinsen

[62] Vgl. „Europa-Markt unterschrieben“, in: Bild vom 26.3.1957, Nr. 72, S. 1.

[63] Vgl. „In Rom schlug Europas Stunde“, in: Bild vom 27.3.1957, Nr. 73, S. 9.
Webkataloge